Verbandsgründung

Am 21. und 22. Januar 2023 findet in Nürnberg eine Versammlung von Angehörigen der durch die Nationalsozialisten als »Asoziale« und »Berufsverbrecher« Verfolgten statt. Es ist ein historisches Ereignis: Die Anwesenden gründen einen »Verband für die Erinnerung an die verleugneten Opfer des Nationalsozialismus«.

Als meine Kollegin und ich am Samstag den Tagungsraum in Nürnberg betreten, stehen 36 Stühle in einem großen Kreis. Die Menschen, die sich hier versammeln, könnten unterschiedlicher nicht sein: Manche sind in Begleitung von Familienangehörigen erschienen, die Mehrheit kommt jedoch alleine zu diesem Treffen. Sie gehen unterschiedlichen beruflichen Tätigkeiten nach, reisen aus allen Ecken Deutschlands und Österreichs an. Zwischen den ältesten und jüngsten Teilnehmenden besteht ein Altersunterschied von über 50 Jahren. Gemeinsam haben die Versammelten nur eines: Ein/-e Familienangehörige/-r wurde von den Nationalsozialisten als »asozial« oder »kriminell« verfolgt.

An den zwei Tagen in Nürnberg werden bewegende Familiengeschichten ausgetauscht. Schnell wird klar, dass die Verfolgung und die anschließende Verleugnung der Betroffenen alle Teilnehmenden ungeachtet ihrer Verschiedenheit bis heute beschäftigen und schmerzen. Manche von ihnen sprechen hier zum ersten Mal über ihre Familiengeschichte. Am zweiten Tag der Versammlung wird es dann ganz praktisch: Die Anwesenden gründen einen Verein, der einerseits zur geschützten Vernetzung von Angehörigen beitragen soll und andererseits eine aktive Rolle nach außen einnehmen will. Als Vorsitzenden wählen die Anwesenden Frank Nonnenmacher, als Stellvertreterin Ines Eichmüller.

Zu den Zielen des neu gegründeten Verbandes gehören unter anderem ein Beitrag zur historisch-politischen Bildung und der Einsatz für die Umsetzung des Bundestagsbeschlusses vom 13. Februar 2020. Denn hier gibt es noch einiges zu tun: Neben der Entwicklung der Wanderausstellung, zu der auch diese Webseite gehört, beschloss der Bundestag die Förderung von Forschungsarbeiten zu Verfolgtenbiografien sowie zu den Instanzen der nationalsozialistischen Verfolgung.

Sobald der Verband über eine Internetpräsenz verfügt, informieren wir hier darüber.

Merle Stöver


Wenn ihr Kontakt zum Verband aufnehmen wollt, könnt ihr Euch direkt an den Vorsitzenden Prof. Dr. Frank Nonnenmacher wenden: .

Mehr Informationen zum Verband findet ihr auf www.dieverleugneten-vevon.de.

Menschen werden als »asozial« bezeichnet und verfolgt, weil sie in der nationalsozialistischen »Volksgemeinschaft« keinen Platz haben. Das betrifft vor allem Arbeits- oder Wohnungslose, Bettler, Fürsorgeempfänger/-innen, Prostituierte oder unangepasste Jugendliche. Ihnen wird vorgeworfen, die Gemeinschaft zu gefährden. Bei ihrer Verfolgung arbeiten Behörden wie Fürsorgeämter, Justiz und Polizei zusammen. Sie schaffen ein engmaschiges Netz aus Überwachungs- und Zwangsmaßnahmen.

Als »Berufs­verbrecher« werden seit den 1920er Jahren Personen bezeichnet, die Straftaten begehen, um daraus ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Bereits im November 1933 gehen die Nationalsozialisten entschieden mit einer vorbeugenden Polizeihaft gegen diese Personengruppe vor. Als »Berufs­verbrecher« gilt, wer in fünf Jahren drei Mal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt wurde. Die Kriminalpolizei kann damit Betroffene ohne Verdacht in »Vorbeugungshaft« nehmen.

Menschen werden als »A­soziale« bezeichnet und verfolgt, weil sie in der nationalsozialistischen »Volksgemeinschaft« keinen Platz haben. Das betrifft vor allem Arbeits- oder Wohnungslose, Bettler, Fürsorgeempfänger/-innen, Prostituierte oder unangepasste Jugendliche. Ihnen wird vorgeworfen, die Gemeinschaft zu gefährden. Bei ihrer Verfolgung arbeiten Behörden wie Fürsorgeämter, Justiz und Polizei zusammen. Sie schaffen ein engmaschiges Netz aus Überwachungs- und Zwangsmaßnahmen.