Ein Wimmelbild, farbige Tafeln und ausdrucksstarke Portraitzeichnungen: Das erwarteten wohl die wenigsten Besucherinnen und Besucher bei einer Ausstellung, in der um einen ganz besonderen Aspekt der nationalsozialistischen Herrschaft geht: der Verfolgungspolitik des Regimes gegenüber Menschen, die es als »Asoziale« und »Berufsverbrecher« bezeichnete. Und doch kam die ungewöhnliche Gestaltung, zu der auch Graphic Novel-Geschichten gehören, beim Publikum gut an. Die Besucher/-innen begrüßten es, dass diese Darstellungsformen die lange verleugneten Lebens- und Verfolgungsgeschichten in den Mittelpunkt rücken.


Die Auftaktbilanz der Wanderausstellung »Die Verleugneten. Opfer des Nationalsozialismus 1933 – 1945 – heute« ist außerordentlich erfolgreich. Am 10. Oktober 2024 wurde die Schau, die die Stiftung Denkmal und die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg im Auftrag des Deutschen Bundestages erstellten, durch die Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth, sowie Angehörige von Verfolgten eröffnet. »Die Ausstellung finde ich ganz ganz toll – sie ist modern illustriert, ansprechend, informativ, durch das Ansprechen verschiedener Sinnesorgane (Augen, Ohren), von Fakten und Emotionen ist sie nicht ermüdend« – so schrieb nach der Eröffnung Liane Lieske, eine der Rednerinnen und Enkelin der im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz ermordeten Erna Lieske.
Bis zur offiziellen Schließung in Berlin am 31. Januar 2025 (und zu Sonderöffnungen sogar noch einige Tage darüber hinaus) besuchten fast 6.500 Personen »Die Verleugneten«. Durch die Lage in einer Gewerbeimmobilie unmittelbar neben dem Holocaustdenkmal, in der wir Räume zur Verfügung gestellt bekommen hatten, kamen immer wieder auch Gäste mit dem Thema in Berührung, die den Besuch nicht gezielt geplant hatten. Etwa 100 Führungen, sowohl durch ein Team von vier Guides, als auch durch die Kurator/-innen selbst, fanden statt. Besuche erfolgten zum Beispiel durch Angehörige, Polizist/-innen, Studierende sowie Auszubildende sozialer Berufe, Schüler/-innen, sowie zahlreiche Gruppen aus Gedenkstätten und Museen der Berliner Region und darüber hinaus.
Auch der Präsident der Diakonie Deutschland, Rüdiger Schuch, sowie Rolf Rosenbrock, bis November 2024 Vorsitzender des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes – Gesamtverband, setzten sich mit den historischen und auf die Gegenwart bezogenen Inhalten auseinander.
Am 19. März 2025 wird die Ausstellung in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, im Oktober 2025 im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln eröffnet, Anfang 2026 dann im Neuen Rathaus in Leipzig. Beinahe wöchentlich gehen derzeit weitere Leihanfragen ein.
Dr. Ulrich Baumann und Oliver Gaida
Vernichtungslager dienen den Nationalsozialisten zur systematischen Ermordung von Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma und anderen unerwünschten Gruppen. Zwischen 1941 und 1945 errichtet die SS acht Vernichtungslager im besetzten Polen und Belarus. Diese Tötungsstätten sind so angelegt, in ihnen schnell und massenhaft zu morden, ohne zuvor noch die Arbeitskraft der Verschleppten auszubeuten. Von den etwa 6 Millionen ermordeten Jüdinnen und Juden sterben etwa 2,7 Millionen in den Vernichtungslagern.
Abkürzung für Konzentrationslager
Bezeichnung für alle im Herrschaftsbereich der Nationalsozialisten errichteten Haftstätten für politische Gegner/-innen oder Menschen, die zu solchen erklärt wurden. Die Gefangenen sterben an schwerer körperlicher Zwangsarbeit, Unterernährung, Krankheiten, Folter sowie durch gezielte und willkürliche Morde. Die Lager stehen unter Kontrolle der SS (Schutzstaffel). Zwischen 1933 und 1945 waren insgesamt 2,5 bis 3,5 Millionen Menschen in Konzentrationslagern inhaftiert.
Als »Berufsverbrecher« werden seit den 1920er Jahren Personen bezeichnet, die Straftaten begehen, um daraus ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Bereits im November 1933 gehen die Nationalsozialisten entschieden mit einer vorbeugenden Polizeihaft gegen diese Personengruppe vor. Als »Berufsverbrecher« gilt, wer in fünf Jahren drei Mal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt wurde. Die Kriminalpolizei kann damit Betroffene ohne Verdacht in »Vorbeugungshaft« nehmen.
Menschen werden als »Asoziale« bezeichnet und verfolgt, weil sie in der nationalsozialistischen »Volksgemeinschaft« keinen Platz haben. Das betrifft vor allem Arbeits- oder Wohnungslose, Bettler, Fürsorgeempfänger/-innen, Prostituierte oder unangepasste Jugendliche. Ihnen wird vorgeworfen, die Gemeinschaft zu gefährden. Bei ihrer Verfolgung arbeiten Behörden wie Fürsorgeämter, Justiz und Polizei zusammen. Sie schaffen ein engmaschiges Netz aus Überwachungs- und Zwangsmaßnahmen.