Veranstaltungsbericht: »Berufsverbrecher« im Konzentrationslager Mauthausen

Am 13. November 2024 öffnete das Österreichische Kulturforum in Berlin seine Pforten für eine Veranstaltung im Rahmen des Begleitprogramms zur Ausstellung »Die Verleugneten. Opfer des Nationalsozialismus 1933 – 1945 – heute«. Der österreichische Botschafter Dr. Michael Linhart begrüßte das Publikum mit einer sehr persönlichen Rede. Dr. Ulrich Baumann, stellvertretender Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, sprach über die Entstehung der Ausstellung und betonte, dass die Verfolgung von »Berufsverbrechern« weiterhin eine Lücke in der Erinnerungskultur darstellt – ein Defizit, dem dieser Abend entgegenwirken sollte.

Mauthausen stand im Zentrum des Abends: Das Konzentrationslager Mauthausen wurde 1938, unmittelbar nach dem »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich, errichtet. In der Nähe eines verlassenen Steinbruchs, nahe Linz mussten Häftlinge aus dem Konzentrationslager Dachau das Lager aufbauen. Es handelte sich dabei vor allem um Häftlinge, die den schwarzen oder grünen Winkel tragen mussten und damit als »Asoziale« bzw. »Berufsverbrecher« gekennzeichnet waren. Mauthausen entwickelte sich rasch zu einem großen Lagerkomplex, mit über 40 Außenlagern. Insassen mussten unter extremen Bedingungen im Steinbruch Zwangsarbeit leisten, und das Lager wurde zu einem Ort systematischer Vernichtung. 1945 befreiten alliierte Truppen das Lager, das seit 1947 als Gedenkstätte an die Opfer erinnert.

Einer der Häftlinge in Mauthausen war Arthur Alexander Becker, der als »Krimineller« gebrandmarkt, das Lager überlebte. 1946 schrieb er das Theaterstück »Mauthausen!«, das im selben Jahr am Salzburger Landestheater unter dem Titel »Der Weg ins Leben« uraufgeführt wurde. Das Drama stellt die grausame Realität des Lagers dar und beschreibt die Situation der »Grünwinkligen«. In einer szenischen Lesung brachten die Schauspieler Hannes Schmid und Rafael Albert Beckers Worte zum Leben und schilderten eindrucksvoll die Härte und Verzweiflung, aber auch die Solidarität im Lager.

Den Abend rundete ein Gespräch zwischen Dr. Axel Doßmann und Dr. Andreas Kranebitter ab. In seinem neu erschienenen Buch »Die Konstruktion von Kriminellen. Die Inhaftierung von „Berufsverbrechern“ im KZ Mauthausen« zeichnete Herr Kranebitter, Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes in Wien, die Wege von zehn als »kriminell« Verfolgten nach. Angeleitet durch die pointierten Fragen von Herrn Doßmann, räumte Herr Kranebitter mit vielen Annahmen und Vorurteilen über diese Verfolgten auf. Kranebitter versteht sein Buch nicht nur als historische Untersuchung, sondern auch als Stellungnahme gegen das Wiedererstarken autoritärer Strömungen in der Gegenwart.

Die Veranstaltung war eine Kooperation zwischen dem Österreichischen Kulturforum in Berlin, der Gedenkstätte Deutscher Widerstand und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas.

Laura Stöbener


Quelle: new academic press
Quelle: new academic press

Weiterlesen:

Die Konstruktion von Kriminellen. Die Inhaftierung von „Berufsverbrechern“ im KZ Mauthausen von Andreas Kranebitter. Wien 2024.

Mauthausen! Schauspiel in drei Aufzügen (vier Bildern) von Arthur Alexander Becker. Herausgegeben von Christian Angerer und Andreas Kranebitter. Wien 2021.

Abkürzung für Konzentrations­lager

Bezeichnung für alle im Herrschaftsbereich der Nationalsozialisten errichteten Haftstätten für politische Gegner/-innen oder Menschen, die zu solchen erklärt wurden. Die Gefangenen sterben an schwerer körperlicher Zwangsarbeit, Unterernährung, Krankheiten, Folter sowie durch gezielte und willkürliche Morde. Die Lager stehen unter Kontrolle der SS (Schutzstaffel). Zwischen 1933 und 1945 waren insgesamt 2,5 bis 3,5 Millionen Menschen in Konzentrations­lagern inhaftiert.

(grüner Win­kel, schwarzer Win­kel)

In den Konzentrationslagern beraubt die SS die Häftlinge ihrer Namen und vergibt Nummern. Neben der Nummer müssen die Häftlinge unterschiedlich farbige Win­kel an ihrer Kleidung tragen. Die Win­kel verweisen auf den Grund der Haft. Die SS schafft damit auch eine Hierarchie der Gefangenen. Die Farbe des Win­kels hat Einfluss auf die Behandlung im Lager. Personen, die den schwarzen Win­kel tragen, gelten als »asozial«, Menschen mit dem grünen Win­kel als »Berufsverbrecher«.

Bezeichnung für alle im Herrschaftsbereich der Nationalsozialisten errichteten Haftstätten für politische Gegner/-innen oder Menschen, die zu solchen erklärt wurden. Die Gefangenen sterben an schwerer körperlicher Zwangsarbeit, Unterernährung, Krankheiten, Folter sowie durch gezielte und willkürliche Morde. Die Lager stehen unter Kontrolle der SS (Schutzstaffel). Zwischen 1933 und 1945 waren insgesamt 2,5 bis 3,5 Millionen Menschen in Konzentrations­lagern inhaftiert.

Als »Berufs­verbrecher« werden seit den 1920er Jahren Personen bezeichnet, die Straftaten begehen, um daraus ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Bereits im November 1933 gehen die Nationalsozialisten entschieden mit einer vorbeugenden Polizeihaft gegen diese Personengruppe vor. Als »Berufs­verbrecher« gilt, wer in fünf Jahren drei Mal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt wurde. Die Kriminalpolizei kann damit Betroffene ohne Verdacht in »Vorbeugungshaft« nehmen.

In fast allen Konzentrationslagern werden insbesondere ab 1942 sogenannte Außen­lager eingerichtet. Die dort inhaftierten KZ-Häftlinge müssen Zwangsarbeit leisten. Die Lebensbedingungen sind dabei ebenso unmenschlich wie in den Hauptlagern. Insgesamt entstehen mehr als 1.000 Außen­lager im Deutschen Reich und den besetzten Gebieten.

Menschen werden als »A­soziale« bezeichnet und verfolgt, weil sie in der nationalsozialistischen »Volksgemeinschaft« keinen Platz haben. Das betrifft vor allem Arbeits- oder Wohnungslose, Bettler, Fürsorgeempfänger/-innen, Prostituierte oder unangepasste Jugendliche. Ihnen wird vorgeworfen, die Gemeinschaft zu gefährden. Bei ihrer Verfolgung arbeiten Behörden wie Fürsorgeämter, Justiz und Polizei zusammen. Sie schaffen ein engmaschiges Netz aus Überwachungs- und Zwangsmaßnahmen.