Am Samstag, den 27. Januar 2024 ist die AntoniterCitykirche in der Kölner Innenstadt voll besetzt. So voll, dass nicht alle der circa 350 Menschen einen Sitzplatz finden können. Sie sind hier, um den Opfern des Nationalsozialismus zu gedenken. Die Projektgruppe 27. Januar legt in diesem Jahr ein besonderes Augenmerk auf die als »Asoziale« und »Berufsverbrecher« Verfolgten.

Das Kölner Stadtoberhaupt, Oberbürgermeisterin Henriette Reker, eröffnet die Gedenkstunde mit einem Grußwort. Drei Theater- und Filmschaffende, Renate Fuhrmann, Mascha Schwarzberg und Klaus Nierhoff, tragen Texte vor. Sie handeln zum einen von der engagierten Leiterin des Kölner Wohlfahrtamtes, Hertha Kraus, die nach ihrem Amtsantritt 1923 die Grundlagen für eine neue städtische Sozialverwaltung gelegt hatte und als Pionierin der Sozialen Arbeit gilt. Ab 1933 wurde sie als Jüdin verfolgt und konnte in den 1930er Jahren in die USA fliehen. Die soziale Lage von Kölnern und Kölnerinnen und schwierige Lebensverhältnisse in den 1930er Jahren stehen auch bei einem weiteren, an diesem Erinnerungsabend aufgegriffenen Thema im Mittelpunkt: Der Altstadtsanierung im sogenannten Rheinviertel. In der ursprünglichen, aber nicht verwirklichten Planung sollte sie den dort Lebenden mehr Luft und Licht verschaffen. Unter den Nationalsozialisten wird sie zur repressiven Maßnahme. Etwa 10.000 Menschen, die dort wohnhaft waren und vor allem der Unterschicht angehörten, werden umgesiedelt.
Schließlich geht auch um die Verfolgung von Menschen, die die Nationalsozialisten als »asozial« abstempelten. Stellvertretend hierfür steht an dem Abend in der Kirche die Geschichte von Anna Sölzer. Sie wurde von der Kölner Kriminalpolizei als Prostituierte registriert und war damit Überwachung und regelmäßigen Kontrollen unterworfen. Da sie sich nicht an die Auflagen der Polizei hielt, verhaftete die Kripo sie 1942 und brachte sie ins Konzentrationslager Ravensbrück. Dort starb sie mit 26 Jahren. Anna Sölzer ist eine der Personen, deren Biografie wir auf unserer Webseite erzählen.
Dass die Vergangenheit nicht gänzlich vergangen ist, zeigt schließlich die Rede von Klaus Jünschke vom »Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung«. Er spricht zur Situation von Obdach- und Wohnungslosen in Köln heute.
Im Anschluss führt ein Mahngang in die Salzgasse 9 in der Kölner Altstadt zum Stolperstein für Heinrich Malmedy. Mit 57 Jahren wurde er mit dem Etikett »asozial« belegt und im Januar 1945 im Konzentrationslager Natzweiler-Struthof ermordet.

Seit vielen Jahren organisiert die Projektgruppe die Gedenkstunde zum 27. Januar. Bemerkenswert ist, dass die Gedenkinitiative nicht erst 2024 an die Menschen erinnert, die mit dem Stigma »asozial« gebrandmarkt wurden. Im Gegenteil: bereits im Jahr 2007 war die jährliche Gedenkveranstaltung diesen Verfolgten gewidmet. Die Ankündigung zur Veranstaltung 2007 endet mit dem Satz »Kein Mensch ist asozial!«.
Die Sturmabteilung ist der auf Adolf Hitler eingeschworene Wehrverband der NSDAP. Die SA schürt Antisemitismus und greift politische Gegner/-innen an. Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler dient die SA in Preußen als »Hilfspolizei«, verhaftet und quält Menschen, oft in »wilden« Lagern. 1934 gehören ihr etwa vier Millionen Männer an. Den Versuch der SA-Führung, aus ihr eine allumfassende Parteimiliz zu formen, beantwortet Hitler mit ihrer Entmachtung.
Menschen werden als »asozial« bezeichnet und verfolgt, weil sie in der nationalsozialistischen »Volksgemeinschaft« keinen Platz haben. Das betrifft vor allem Arbeits- oder Wohnungslose, Bettler, Fürsorgeempfänger/-innen, Prostituierte oder unangepasste Jugendliche. Ihnen wird vorgeworfen, die Gemeinschaft zu gefährden. Bei ihrer Verfolgung arbeiten Behörden wie Fürsorgeämter, Justiz und Polizei zusammen. Sie schaffen ein engmaschiges Netz aus Überwachungs- und Zwangsmaßnahmen.
Die Kriminalpolizei (»Kripo«), ein regulärer Zweig der Polizeiarbeit für die Verfolgung von Straftaten, ist im Nationalsozialismus neben anderen Aufgaben für die Kontrolle und Verfolgung »Gemeinschaftsfremder« zuständig. Als »Berufsverbrecher« oder »Asoziale« bezeichnete Personen werden von ihr planmäßig überwacht und zeitlich unbeschränkt in Haft genommen.
Die Beurteilung, was als »asoziales Verhalten« gilt, bleibt den Polizisten überlassen – kleinste Verhaltensauffälligkeiten können zur Inhaftierung führen.
Bezeichnung für alle im Herrschaftsbereich der Nationalsozialisten errichteten Haftstätten für politische Gegner/-innen oder Menschen, die zu solchen erklärt wurden. Die Gefangenen sterben an schwerer körperlicher Zwangsarbeit, Unterernährung, Krankheiten, Folter sowie durch gezielte und willkürliche Morde. Die Lager stehen unter Kontrolle der SS (Schutzstaffel). Zwischen 1933 und 1945 waren insgesamt 2,5 bis 3,5 Millionen Menschen in Konzentrationslagern inhaftiert.
Als »Berufsverbrecher« werden seit den 1920er Jahren Personen bezeichnet, die Straftaten begehen, um daraus ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Bereits im November 1933 gehen die Nationalsozialisten entschieden mit einer vorbeugenden Polizeihaft gegen diese Personengruppe vor. Als »Berufsverbrecher« gilt, wer in fünf Jahren drei Mal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt wurde. Die Kriminalpolizei kann damit Betroffene ohne Verdacht in »Vorbeugungshaft« nehmen.
Menschen werden als »Asoziale« bezeichnet und verfolgt, weil sie in der nationalsozialistischen »Volksgemeinschaft« keinen Platz haben. Das betrifft vor allem Arbeits- oder Wohnungslose, Bettler, Fürsorgeempfänger/-innen, Prostituierte oder unangepasste Jugendliche. Ihnen wird vorgeworfen, die Gemeinschaft zu gefährden. Bei ihrer Verfolgung arbeiten Behörden wie Fürsorgeämter, Justiz und Polizei zusammen. Sie schaffen ein engmaschiges Netz aus Überwachungs- und Zwangsmaßnahmen.